Einjähriger Beifuß (Artemisia annua) – ein Geschenk der Natur

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Einjähriger Beifuß (Artemisia annua) – ein Geschenk der Natur

Der Name des Krauts lässt sich auf die griechische Göttin der Jagd Artemis (lat. Diana) zurückführen, unter deren besonderen Schutz die Heilpflanze stand. In Ägypten war sie der Isis geweiht. Beifuss galt als besonders wirksam bei Frauen-Erkrankungen oder -Beschwerden. Hippokrates beispielsweise beschrieb die Pflanze als menstruationsfördernd, Loncicerus als erleichternd für Geburt und Nachgeburtsphase. Beifuss wurde auch als Wurmmittel verwendet. Diese Einsatzmöglichkeit wird von Dioskurides ausführlich dokumentiert. Der griechische Arzt beschreibt die Pflanze in seiner Arzneimittellehre aus dem ersten Jahrhundert nach Christi genau und unterscheidet zwischen Wermut, dem See- und Santoninbeifuss: „Der Seebeifuss – einige nennen ihn auch Seriphon – (…) ist voll von kleinen Samen, etwas bitter, dem Magen nicht bekömmlich, von durchdringendem Geruch und mit einer gewissen Wärme adstringierend. Dieser (…) tödtet Askariden und runde Würmer und treibt sie leicht aus“.[3] Auch der Santoninbeifuss wird von Dioskurides mit ähnlicher Wirkung beschrieben.

Beifuß in der Volksheilkunde

In der Humoralpathologie wurde Beifuss als trocken, warm und zusammenziehend (adstringierend) eingeordnet. Deshalb wurden seine „erwärmenden“ Fähigkeiten bei „kaltem“ und „schlecht verdauendem Magen“ oder bei Erkältungskrankheiten mit „kaltem, zähem Schleim“ als Gegenmaßnahme empfohlen. Auch als Wärme zuführendes Zusatzmittel wie zum Beispiel zu Salben oder Pflastern ist Beifuss bekannt. Sie wurden in Form von Wickeln, Auflagen oder Kompressen bei Rheumaerkrankungen auf die schmerzenden Gelenke oder bei Rückenschmerzen verwendet. Der Pflanze kam auch eine reinigende Wirkung zu: Magen- und Darmstörungen einhergehend mit Mundgeruch oder übel riechenden Durchfällen wurden mit Beifuss behandelt. Traditionell kam auch die Wurzel zum Einsatz. Sie galt als Mittel gegen Angst- und Schwächezustände, Depression, allgemeine Reizbarkeit und Unruhe, wie auch Psychoneurosen oder Schlafstörungen. Beifuss, der in der Literatur oft als „kleiner Bruder des Wermut“ bezeichnet wird, wirkt schwächer als Wermut und ist auch nicht so bitter. Seine verdauungsfördernde Wirkung ist bei uns nicht vergessen: Der aromatisch bittere Geschmack des Krauts und die süßlich-scharf schmeckende Wurzel werden immer noch geschätzt. Und so findet Beifuss bei traditionellen, schweren Gerichten wie zum Beispiel bei Aal, Enten, Hammel- oder Gänsebraten als Gewürz zur „Unterstützung der Verdauung“ Verwendung..

Beifuß im Kampf gegen Erreger

Beifuss enthält Öle wie Cineol, Thujon oder Kampfer sowie Bitterstoffe (Sesquiterpenlactone) und Gerbstoffe. In einjährigem Beifuss ist auch Artemisinin (0,1-0,09%), ein Sequiterpenlacton-Endoperoxid, enthalten. Dieser Wirkstoff und seine Anti-Malariawirkung beschäftigt Forscher in aller Welt.

Beifuss ist ein Malaria-Heilmittel 

Artemisinin heisst der sekundäre Pflanzenstoff, der in den Blüten und Blättern des Einjährigen Beifusses vorkommt und schon länger im Fokus der Malaria-Forschung steht. Seit den 1970er Jahren wurden nach dem Vorbild des Artemisinins diverse halbsynthetische Arzneistoffe entwickelt, die vor allem in Süd-Ostasien und Afrika in Form von Medikamenten zur Behandlung der Malaria zum Einsatz kommen.

Die WHO empfiehlt Artemisinin-Kombinationspräparate als Wirkstoffe der ersten Wahl zur Therapie von Malaria. Problematisch ist jedoch, dass der Erreger der Malaria mit steter Regelmässigkeit Resistenzen gegen Malaria-Medikamente entwickelt..

Dr. Bernhard Fleischer vom Bernhard-Nocht-Instituts in Hamburg gibt zu bedenken:

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Mittel nicht mehr wirken.“

Forscher um Stephen M. Rich von der University of Massachusetts in Amherst haben allerdings herausgefunden, dass sich die resistenten Erreger durch ein rein pflanzliches Beifuss-Präparat dreimal langsamer bilden als durch den isolierten Wirkstoff Artemisinin. Ausserdem wirkt die Beifuss-Pflanze möglicherweise sogar weitaus besser gegen Malaria als alle chemisch hergestellten Medikamente zusammen.

Doch offenbar beschränkt sich die Heilkraft des Einjährigen Beifusses nicht nur auf die Tropenkrankheit: Inzwischen deuten mehrere Studien darauf hin, dass der Einjährige Beifuss auch gegen Krebs wirkt.

Beifuß im Kampf gegen Krebszellen

Wissenschaftler des BioQuant-Zentrums der Universität Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben herausgefunden, dass der Einjährige Beifuss Tumorzellen in den Tod treiben kann.

Das Forscherteam um Nathan Brady hat in der Fachzeitschrift Journal of Biological Chemistry berichtet, dass Artemisinin in den Tumorzellen eine chemische Reaktion auslöst. Es entstehen freie Radikale, die den Krebs vernichten.

„Alle Krebsarten reagieren und sind empfindlich!“,

so Brady.

Das Positive ist, dass Artesiminin auf Krebszellen toxisch wirkt, aber den gesunden Zellen keinen Schaden zufügt.

Den Einjährigen Beifuß – obwohl aus Fernost stammend – kann man längst auch in einigen Online-Shops als getrocknetes Kraut beziehen.

Ob also einjährig oder gemein, es lohnt sich in jedem Fall, dem Beifuß erhöhte Aufmerksamkeit entgegen zu bringen. Denn noch lange nicht sind alle positiven Eigenschaften der alten Heilpflanze aufgedeckt. So wird derzeit beispielsweise vermutet, dass der Beifuß – gemeinsam mit der wilden Karde  – auch bei Borreliose äußerst hilfreich sein kann. Unsere Vorfahren haben den kraftvollen Beifuß folglich nicht ohne Grund als „Mutter aller Heilpflanzen“ verehrt.